Test: Reichmann EMRG SENDuro – 190er Oder 170er Enduro? Einmal bitte alles in Anders!

Lesezeit: 10 – 11 Minuten

Es gibt Marken, abseits vom Mainstream, die man auf internationaler Ebene kaum kennt. Dennoch sind sie relevant und haben spannende Bikes im Programm. Wer Matthias "Matze" Reichmann bis jetzt nicht persönlich kennt, der sollte ihn mal kennenlernen. Ein Ingenieur vollgestopft mit passionierter Überzeugung, eigenen Lösungen, ein extremer Nerd und all das kommt verpackt in einem deutschen Downhiller der ersten Stunde. Immer noch aktiv am Rennen fahren (langsam ist er auch im mittleren Alter weiterhin nicht). 

Reden wir hier über eine Bikemarke oder eine Person? Und warum ist das wichtig für einen Test vom EMRG Reichmann SENDuro? Vermutlich, weil dieses Bike in dieser Ausführung mit diesem Charakter kein anderer bauen würde und genau deshalb ist es so großartig.

Ausstattung & Preis

  • SENDuro V3 Rahmen in der Preorder: ab 2.850 € (verfügbar ab Mitte Oktober)

  • Optionen gegen Aufpreis:

    • Lackierung

    • Virtual Pivot Headset

    • Bei Sonderwünschen: Kontakt mit dem EMRG-Team aufnehmen

Die Story

Betrachtet man die Enduro-Kategorie und die Bikes, die darunter laufen, kommt es eigentlich zu keinen großen Ausreißern. Weder bei der Geometrie noch dem Federweg oder den Anbauteilen. Alles hat sich ausentwickelt. Alles? Es gibt Widerstand. EMRG ist zwar kein gallisches Dorf, aber der Unwille, sich dem Mainstream zu beugen, ist ähnlich vehement. 

Unüblich viel Federweg für ein Enduro, eine spezielle Kinematik und zack steckt man in der ersten Diskussion: jahaaa – man kann das Rad auch mit weniger Federweg fahren, mit anderem Dämpfer und so weiter, aber warum sollte man? Kein Gallier würde ohne Zaubertrank in die Schlacht ziehen. 

Wortreich, vehement kann man mit Matze in die Diskussionen um die idealen Zahlen einsteigen. Er weiß auf jeden Fall, was er will. Der Kunde will etwas anderes? Geht schon. Das Rad ermöglicht das auch. Die Formel des Zaubertranks ist anpassbar. Aber von jemandem, der für seine Passion blutet, wird man in der Meinung schon mal herausgefordert. Ein Römer würde auch nicht einfach so ins gallische Dorf einmarschieren dürfen. 

Ein RIP-Fahrer (das Reichmann DH-Bike), den ich im Bikepark traf, fragte Matze einmal, ob er ihm das SENDuro auch mit 150 mm bauen könne. Matzes Antwort: „Federweg wiegt doch nichts. Nimm die 170er-Variante.“

Wir nahmen seinen Input mit, aber haben dann auch Feuer zurückgegeben. Braucht es also 200/190 mm Federweg „weil es einfach geht“ oder reichen 170/170? Braucht man das Bike, das als kleines Radl in den Zaubertrank gefallen ist oder reicht es auch, den Zaubertrank bei Bedarf in Griffweite zu haben?

Es war uns wichtig, dem Projekt genügend Zeit zu geben und alle Varianten des Bikes mit unterschiedlichen Dämpfer-Längen, Federgabeln und Kinematik-Optionen ausgiebig auszuprobieren. Haben wir uns am Ende mit Automatix/Reichmannix geschlägert?

Das SENDuro in der Vollgas-Baller-Version – 200 mm Federgabel und 190 mm am Heck. Und ja, mit Dropper Post und 12-fach Antrieb. Interessierte Blicke und Gespräche in der Liftschlage gibt es gratis dazu.

Die kleinere SENDuro-Variante ist geplant mit 170/170 mm Federweg. Wir gingen mit der Auron sogar runter auf 160 und mit der Öhlins auf 170. Man braucht ja eine Diskussionsgrundlage. Was ist die bessere Option? Wir wollten es herausfinden.

Das EMRG Reichmann SENDuro – Nicht gewöhnlich

Ein schlankes Carbonraumschiff mit einer Linienführung wie aus dem Windkanal. Jede Schraube ist eloxiert und die Details zur Drehrichtung mit den entsprechenden Nm sind haarfein eingelasert. Raum für Wasserflaschen, Staufach im Rahmen und Montagepunkte für Werkzeuge am Rahmen und Täschlein für vegane Protein-HighCarb-Gummibärchen? Paintjob und Decals wie das neueste Sport-Supercar? All das hat das Reichmann – nicht. 

Was es hat: viele Schrauben und Verstellmöglichkeiten für Geo und Kinematik. Gerade Rohre. Kein Firlefanz. Eine Maschine. Ein Zweck. Ballern. Senden. Hacken. Den ganzen anderen Sch… könnt ihr behalten. 

Es gibt ein Projekt mit MEBCarbon, bei dem der Hauptrahmen noch einmal veredelt wird – gefertigt aus Muffen und Carbon-Rohren. Steampunk. Dazu gibt es hier mehr Informationen.

Wir haben den Aluminiumrahmen getestet. Dieser wird in der nächsten Charge, dem V3, ein paar minimale Updates erfahren. Auf der EMRG-Seite läuft bereits die Preorder. Der Hinterbau wird in Zukunft UDH-kompatibel sein – dadurch fällt die Verstellbarkeit der Kettenstrebe und die angeschraubte Bremsaufnahme weg. Zusätzlich werden die Lagerung des Hinterbaus und die Lagersitze des unteren Links noch etwas optimiert. Der Sitzwinkel wird 1° flacher werden. Ja – ihr habt richtig gehört. Das scheint es auch zu geben und wir geben EMRG recht. Der Sitzwinkel war mehr als steil genug am Testrad. Dazu später mehr im Fahreindruck.

Der Rahmen des SENDuro wird aus 7020 Aluminium gefertigt und die Umlenkungs- und Anbauteile aus 7075er-Alu. Ganz nach dem Motto: Made in Germany. Die CNC-gefrästen Komponenten kommen überwiegend von der Schwäbischen Alb, geschweißt wird in Karlsruhe und die Endmontage findet am Bodensee statt.

Technische Details

  • Hinterbau mit 7 Gelenken & modifiziertem Wattgestänge
    Dieses einzigartige System ermöglicht eine virtuelle Drehpunktverlagerung über den gesamten Federweg. Dadurch entsteht eine S-förmige Bewegung, die die Vorteile von DW-Link- und VPP-Systemen kombiniert. 

  • Progressive Kinematik
    Das Hebelverhältnis ist in drei Bereiche unterteilt: Der Federweg beginnt mit einer steilen Kurve, die nach dem SAG abflacht, bevor die Progression auf den letzten 15 mm des Federwegs stark zunimmt. ​

  • Anti-Squat von ca. 125 % im SAG-Bereich
    Dies sorgt für effizientes Pedalieren ohne Wippen und reduziert gleichzeitig den Pedalrückschlag bei starken Kompressionen. 

  • Anpassbare Geometrie
    Durch Flipchips können Lenkwinkel (62,5°–63,5°) und Sitzwinkel (78°–79°) individuell angepasst werden. 

  • Laufrad- und Federwegoptionen
    Das Bike ist sowohl als Mullet (29″/27,5″) als auch als Full-29er fahrbar. Je nach Dämpferaufnahme sind 170 mm oder 190 mm Federweg am Heck möglich.

Der 7-Gelenker mit modifiziertem Wattgestänge – progressive Kinematik und 125 % Anti-Squat im SAG-Bereich.

Die obere Dämpferaufnahme kann gedreht oder ausgetauscht werden. Drehen für ein Mullet-Setup. Austauschen für die Aufnahme eines kürzeren Dämpfers und somit „nur“ 170 mm Federweg.

Hier zu sehen: der kürzere Dämpfer mit der entsprechenden Aufnahme. Mit dem Flip Chip, der am Hinterbau sitzt, lassen sich Lenk- und Sitzwinkel feinjustieren.

An unserer SENDuro-Version lies sich die Kettenstrebenlänge noch in drei Positionen einstellen. Da die neueste Version, das V3, allerdings mit UDH-Schaltauge kommt, fällt diese Verstellung weg – das Bike hat dann fixe 450 mm lange Kettenstreben.

Geometrie & Spezifikationen

  • Federweg Gabel: 180 – 200 mm (Herstellerempfehlung)

  • Dämpfer-Einbaulänge/Hub: 250/75 mm (für 190 mm) oder 230/65 mm (für 170 mm)

  • Steuerrohr: 56/56 mm

  • Tretlagergehäuse: 73 mm / 83 mm

  • Hinterradaufnahme: 148/12 mm (Boost) oder 150/12 mm

  • Bremsaufnahme Hinterrad: 200 mm

  • Sitzrohrdurchmesser: innen 30,9 mm, außen 34,9 mm, Mindesteinstecktiefe 140 mm

Kürzel Geo-Wert Größe S0 Größe S1 Größe S2
R REACH 450 mm 475 mm 500 mm
S STACK 649 mm 649 mm 649 mm
HA Lenkwinkel 63,5° / 62,5° 63,5° / 62,5° 63,5° / 62,5°
SA Sitzwinkel 78° / 79° 78° / 79° 78° / 79°
SL Sitzrohrlänge 450 mm 450 mm 450 mm
WB Radstand 1250 mm 1270 mm 1320 mm
BBD BB-Drop -32 / -18 mm -32 / -18 mm -32 / -18 mm
HL Steuerrohrlänge 110 mm 110 mm 110 mm

Test EMRG Reichmann SENDuro

Dass Matze dem langhubigen Bike den Vorzug gibt, wollte er sich im Vorfeld verkneifen, man will ja niemanden beeinflussen vor einem Test. Aber er ist einfach jemand, der sein Herz auf der Zunge trägt, und so war seine Vorliebe von vornherein klar. Und dennoch bietet er alternative Dämpferaufnahmen an, um jedem eine Individualisierung zu ermöglichen. Mit Mechanix im echten leben kann man reden, nur im Comic ist er wirklich stur.

Als variable Plattform motivierte das SENDuro, zum Schrauben, Ausprobieren und zum kompletten Individualisieren. Wobei Finetunen vielleicht das bessere Wort ist. Egal, ob Full-On-29 oder Mullet. Geometrie- und dreistufige Progressionsverstellung sowie die besagten verschiedenen Dämpferlängen, bis hin zur hauseigenen Entwicklung: dem Steuersatz mit Offsetverstellung. Möglichkeiten, die sicher schon so manchem Durchschnitts-Nerd zu tief in die Materie gehen.

Wir probierten FOX Float X2 und EXT Storia V3 sowie V4 Dämpfer in diversen Längen aus. Neben der verbauten Boxxer montierten wir auch eine Öhlins RXF38, sowie eine Durolux und eine Auron von SR Suntour.

Um die beiden Plattformen artgerecht zu testen, wurden sie im Bikepark Lac Blanc und Burladingen sowie auf Trails in Heidelberg und der Schwäbischen Alb auf Herz und Nieren untersucht.

Ihr ahnt es: Wer weiß, was er tut oder grundsätzlich die Prinzipien von Geometrie, Federweg und Kinematik erkunden möchte, ist bei EMRG goldrichtig. Fasst man die Verstellmöglichkeiten zusammen, ergibt sich folgende Liste mit den verschiedensten Optionen:

  • Nabenbreite am Hinterbau: 148 oder 150

  • 3-fach verstellbare Progression am Hauptrahmen

  • 2 Dämpferlängen – für 190 oder 170 mm Federweg am Heck

  • Drehbare Dämpferaufnahme zur Geometrieanpassung bei 27,5″-Hinterrad

  • Verstellbarer Gabeloffset um +/- 4 mm mit dem Virtual Pivot Headset (VPH)

  • 62,5° – 63,5° Lenkwinkel und 78° –79° Sitzwinkel-Anpassung via Flipchip 

  • Mit dem Virtual Pivot Headset spielten wir die Varianten zum Nachlauf durch.

Virtual Pivot Headdset – Offset Verstellmöglichkeiten

An sich ist das VPH schon fast einen eigenen Bericht wert. Hier erstmal eine kondensierte Form. Das Thema Offset begann vor einigen Jahren durch die Medien zu tingeln, als man den Switch auf 29 Zoll machte. Größere Laufräder sorgten für ein anderes Lenkverhalten. Ungewohnt ist aber vermutlich das bessere Wort.

Wie grundsätzlich die Gewöhnung an flache Lenkwinkel und kurze Vorbauten bei Menschen einfach dauert, so ist der Nachlauf, der sich aus der Kombination von Offset, Lenkwinkel und Laufradgröße ergibt, ein Wert, der quasi unsichtbar ist. Dennoch beeinflusst er das Lenkverhalten deutlich.

Je kürzer der Offset, desto länger der Nachlauf.

Heute haben die am weitesten verbreiteten (Singlecrown) 29er-Federgabeln Offsets unter 50 mm. Dadurch verlängert sich, gegenüber den kurzzeitig verwendeten 51-mm-Varianten, der Nachlauf des Laufrads. Auf dem Trail wird das Lenkverhalten dadurch weniger zappelig und vor allem ruhiger bei hohen Geschwindigkeiten. 

Mit dem VPH Headset kann man nun über eine exzentrische Klemmung des Gabelschafts den Offset „virtuell“ um +/- 4 mm verstellen. Je nachdem, wie herum man den Konus klemmt. Mit dem VPH entfällt der klassische Gabelkonus und das untere Teil wird direkt am Gabelschaft angeschraubt. Auch wenn es so wirkt und den Reach des Bikes leicht ändert, ist das KEIN klassisches Reachset.

Hier ist das obere Teil des VPH zu sehen, das einfach aufgesteckt und per Inbusschraube am Gabelschaft geklemmt wird. Das untere Teil wird anstelle eines Gabelkonus angebracht und ebenfalls per Inbusschraube fixiert. Die Aufsätze können dann um 180° gedreht werden, um den Offset entsprechend anzupassen.

Der Unterschied im Lenkverhalten ist deutlich spürbar. Jedoch ist den Offset zu verkürzen nicht jedermanns Sache. Im Test fühlte sich Jens mit dem verkürzten Offset wohler und Yannick mochte es genau umgekehrt. Hierbei spielte die verbaute Gabel und deren mitgebrachter Offset aber eine große Rolle. Die hier verbaute Boxxer mit 46 mm Offset, via VPH verkürzt auf 42 mm, fuhr sich angenehmer als eine Öhlins mit hauseigenem 44 mm Offset verkürzt auf 40 mm. Wer ernsthaft am Gashahn dreht und primär auf sehr schnellen Strecken unterwegs ist wird auch Vorteile mit der 40 mm Option haben. Dringende Empfehlung: die beiden Varianten ausgiebig ausprobieren.

Im verkürzenden Setting fühlt sich das Einlenken bei langsamen Geschwindigkeiten erst einmal sehr ungewohnt an. Hält man auf Steinfelder und Wurzeln drauf, profitiert man von einer erhöhten Laufruhe. Am Lenker kommen weniger seitliche Schläge an. Das lange Setting fühlt sich vertrauter an. Man muss weiterhin etwas mehr Kraft aufbringen, wenn es heftig scheppert. Das Lenkverhalten wird direkter.

Wir können an dieser Stelle keine eindeutige Empfehlung aussprechen, welches Setting für welches Fahrerprofil besser passt und ob dieser Steuersatz für jeden einen Vorteil bringt. Wer experimentierfreudig ist, sollte sich den VPH aber auf jeden Fall zulegen. Man lernt eine Menge dazu.

200/190 mm

Unser Test begann mit der langhubigen Version. Ein Bike mit einer 200 mm Boxxer an der Front, Variostütze und 12-fach Kassette, die einen immer noch auf jeden Berg hinaufklettern lässt – eine wilde Kombination. Allein der Anblick lässt einen über die möglichen Kategorien grübeln. SuperEnduro? LongTravelEnduro? Vielleicht auch Freerider? Oder ist es im Sinne von DownCounty doch ein UpDownhiller?

Ein seltener Anblick – 200 mm Doppelbrücke, Dropper-Post und große Kassette.

Lange hatte man beim Weg nach oben keine Zeit zum Nachdenken, denn das Radel marschierte motiviert und schnell den Berg hinauf. Erinnert ihr euch mal an einen Biketest, in dem der Hinweis kam, dass der Sitzwinkel zu steil sei? Wir auch nicht.

In Summe ist solch ein Wert oder die Kritik daran immer mit etwas Vorsicht zu genießen. Nicht immer ist ein Sitzwinkel zu flach. Viel hängt vom verwendeten Sag ab und letztendlich ermöglicht der Verstellbereich vom Sattel ebenfalls noch, die Position passend zu machen. Und das Reichmann? Es würde wohl mit einem Unimog konkurrieren, wenn es um das Erklettern der brutalsten Alpen-Forststraße ginge. Man sitzt sehr aufrecht auf dem Bike und im Sitzen fühlte es sich in der vorwärtsgerichteten Sitzposition fast schon klein an. Wir können absolut nachvollziehen warum EMRG die neueste Variante hier etwas moderater gestaltet. 

Ganz nach dem Motto: Federweg haben ist besser als Federweg brauchen oder es tritt sich ja nicht schlechter mit mehr Federweg gibt es (eigentlich) wenig Argumente, das SENDuro mit dem kürzeren Dämpfer zu fahren. Beginnen wir also mit dem Fahreindruck mit 190 am Heck und 200 an der Front. Der verbaute und nicht ganz aktuelle Fox Float X2 ist ein Dämpfer, den jeder Vielfahrer kritisch sieht. Anfällig und bekannt dafür, Luft ins Öl zu lassen und oftmals recht freizügig in seiner Kennlinie, hält er in vielen Bikes nicht ausreichend gegen den Fahrerinput.

Zusammen mit der Kinematik vom SENDuro mag das einem Fahrerprofil für super-fluffy passen, aber wir würden hier doch deutlich zum ebenfalls mitgeschickten EXT Storia V3 tendieren. Der Hinterbau bietet die entsprechende Kinematik und so profitiert man bei der Verwendung des Storia von einem ultra-sensiblen Ansprechverhalten und massiver Progression. Mit EXTs HBC-System (Hydraulic Bottom-out Control) werden die letzten 15 % des Federwegs progressiv gedämpft. Zusätzlich lässt sich Progression der Kinematik mithilfe eines umsteckbaren Bolzens in drei Positionen an die eigenen Vorlieben anpassen. Progression aus der Kinematik oder hydraulisch aus dem Dämpfer? Alles ist möglich.

Am Unter- und Sitzrohr ist ein kleines Stück mit drei Bohrungen angeschweißt. Je nachdem, in welcher Bohrung man den Bolzen platziert, erhält man eine unterschiedliche Progression. Die Mittelstellung taugte uns am besten.

Man muss Matthias rechtgeben. Mangelnde Agilität am SENDuro? Absolute Fehlanzeige. Man kann es nicht glauben, wenn man auf engen und verwinkelten Trails unterwegs ist. Da ist doch eine Doppelbrücke drin?! Klischee-Olé. Ihr kennt die Strecke La Flow im Bikepark Lac Blanc? Zeitweise reihen sich die Anlieger direkt hintereinander. Ihre Radien passen oft weniger zu langen Ballerbuden und Downhillbikes, weswegen man mit diesen Kategorien eher auf den anderen Strecken unterwegs ist.

Mit dem SENDuro schwirrt einem schnell der Kopf. Man zielte in den Anlieger und legte das Rad rein. So tief, dass du anzweifeln würdest, es zeitig wieder in die andere Richtung zu befördern. Zack. Wie von einer unsichtbaren Kraft getrieben, hob sich das Bike wieder nach oben. Du nutztest den Impuls und legst mühelos um. Fast wie Skifahren mit Carvern. Unerwartet und brutal gut.  

Präzise und schnell trifft man seine Lines.

Hat man hier also ein Bike mit viel Federweg, das zugunsten der Agilität die Laufruhe opfert? Gehen wir in ein extremes Beispiel. Wie viel ruhiger liegt ein Downhiller auf den schnellen Passagen der La Root? Wenig. Im langhubigen Setup wird das SENDuro dir viel Selbstvertrauen geben, die Bremse offenzulassen. Einzig, wenn der Tag lang wird und die Arme müde, wirst du spüren, dass das SENDuro etwas weniger verzeiht. Gemessen am Spektrum, das dieses Bike fähig ist abzudecken, ist solch ein Abstrich aber absolut im Rahmen. Im Umkehrschluss könnte kein Downhiller auch nur im Ansatz das abdecken, was man mit dem SENDuro dann auch bergauf selbst strampeln kann.

Wuchtige Rohre und Fahrdynamik. Betrachtet man andere Rahmen aus Aluminium, so kommen sie oft schmäler daher. Die Querschnitte am Reichmann sind relativ groß und rund. Diese Form bietet ausgewogene Steifigkeit. Die voluminösen Optik mag hier täuschen, denn die Balance ist gut getroffen. Wie schon oben mit der Agilität in der Kinematik beschrieben, spielt auch der Rahmen eine Rolle beim Fahrgefühl. Das passt. Nicht zu viel und nicht zu wenig Flex hilft dabei, brenzlige Fahrsituationen und Gripabriss souverän zu kontrollieren. 

170/170 mm 

Wir würden behaupten, dass ein Bike mit weniger Federweg, das richtig gut abgestimmt ist, ein Bike mit mehr Federweg und einem nicht wirklich passenden Setup in die Tasche steckt. In der 170/170-Version verwendeten wir primär einen EXT Storie V4 und eine Öhlins RXF 38. Beide Suspension-Produkte zielen auf Performance-orientierte Fahrer ab. Dementsprechend kann man hier viel herausholen. Das Fahrwerk in dieser Konstellation im SENDuro kann man durchaus als Premium bezeichnen – und so war auch der Fahreindruck auf dem Trail. Des Weiteren fuhren wir das Bike mit den Durolux- und Auron-Federgabeln von SR Suntour. 36 vs. 38 mm Standrohre – wann ist was besser? Man munkelt, dass es dazu bald einen Artikel geben wird …

Bist du Team Single-Crown oder Team Doppelbrücke?

Man mochte es nach dem Durchhacken des letzten Steinfelds jedes Mal aufs Neue nicht glauben. Wie konnte ein Rad, das so satt lag an der nächsten Kante, so leicht in die Luft bewegt werden? Grip, Reserve und trotzdem Pop satt. Dieses Feedback kam durch die Bank von allen Testern. Bergauf kletterte es mit der gleichen Leichtigkeit wie der große Bruder – der Griff zum Dämpfer-Lockout blieb aus. Wie auch bei dem 190er-Bike bemerkt man den recht steilen Sitzwinkel, aber wie bereits erwähnt: Beim V3 wird dieser bereits optimiert. Natürlich kann man mit der 170er-Variante gegenüber der Vollgas-Bude etwas Gewicht sparen, aber ist das in einer Zeit, in der man sich Gewichte an den Rahmen klebt, noch ausschlaggebend? Bergab macht’s auf jeden Fall richtig Laune und bereitete jedem aktiver fahrenden Tester ein breites Grinsen.

Egal, ob es auf dem Boden rumpelt …

oder der nächste Sprung kommt – das Bike macht Spaß.

Zeit, die Kartoffel aus dem Lufteinlass zu nehmen? Würde das Bike immer noch den gleichen Charakter haben mit mehr Federweg? Wir haben etliche Male hin- und hergebaut. Federn, Gabeln, Dämpfer und verschiedene Anbauplatten für die Dämpferlängen in Varianten montiert. Obelix oder Asterix? Zaubertrank oder Keilerei ohne Mixgetränk?

Welche Federwegsvariante ist die bessere?

Braucht es 190 mm, um die Römer so richtig zu vermöbeln? Alle Gallier sind auch ohne Zaubertrank schon mächtig wehrhaft. Gleiches gilt für das SENDuro. Wer primär auf deutschen Mittelgebirgstrails unterwegs ist oder ein Faible für das direktere, leichtfüßigere Fahrverhalten von kurzhubigeren Bikes hat, wird vermutlich auch ohne die Hilfe von Reichmannix-Langhub-Trank glücklich werden. Man macht es sich mit 170 mm an Front und Heck auch bewusst etwas spannender, weil das Bike eben nicht jeden Trail mit 190 mm zur Rennstrecke verwandelt. Beide Federwegvarianten haben ihre Daseinsberechtigung und mit beiden kann man Steine und Wurzeln so richtig schön verdreschen. Beim Teutates!

Der beschriebene Ansatz des 7-Gelenker-Hinterbaus mit modifiziertem Wattgestänges ist deutlich zu spüren. Das SENDuro ist ein recht antriebsneutrales Bike, das genau dann seinen Federweg freigibt, wenn er benötigt wird. Es überzeugt durch ein sattes Fahrverhalten mit viel Traktion – bei beiden Varianten. Reichmann SENDuro: Enduro oder Superenduro? Es ist mehr als nur ein Bike. Es ist eine Plattform, die jedem ermöglicht, exakt das Fahrverhalten zu bekommen, wonach er strebt. Die Balance aus satter Ballerbude ohne dabei die Spritzigkeit zu verlieren ist beeindruckend und konnte jeden bei einer Testfahrt überzeugen. 

Die 170er-Version konnte die verspielteren Fahrer etwas mehr begeistern – hier überraschte der sehr poppige, verspielte Charakter, wenn man den Input zum Abziehen an Steinen, Wurzeln oder Sprüngen reingibt. Die 190 mm liegen dann doch noch einen Ticken satter auf der Strecke und laden dann mehr zum Ballern ein – das begeisterte alle Racer. Beide Bikes punkten mit feinfühliger Sensibilität bei kleinen Schlägen sowie einer fein abgestimmten Progression zum Federwegsende, die ordentlich Gegenhalt vor unangenehmen Durchschlägen bietet.

Oftmals ist bei einem so vielseitig anpassbarem Bike nur eine Variante wirklich gut – nicht so beim SENDuro.

Fazit zum EMRG SENDuro

Wer sich nicht vom technischen Look und den vielen Schrauben erschrecken lässt, bekommt ein Bike mit ganz eigenem Charakter. Eigenwillig und eigenständig. Auch wenn EMRG ein kleiner Hersteller ist, so kann man ihn dennoch von der Fahrleistung mindestens auf eine Ebene mit den BigDogs stellen. Herstellergröße sagt letztendlich wenig über die Fähigkeit aus, ein gutes Bike zu realisieren. Das SENDuro ist ein Vollgas/Mini-DH/Freerider/Enduro, das in vielen Einsatzbereichen überzeugen kann – einfach ein SENDuro.

 

Ihr wollt mehr Außergewöhnliche bikes?


Autor – Jens Staudt

Größe: 191 cm

Gewicht: 95 kg

Fahrstil: Mit seinem Race-Hintergrund sind die Linien geplant, auch wenn es mal rumpelt. Wenn möglich, werden Passagen übersprungen. Die ganze Breite eines Trails sollte man nutzen. Andere würden sagen – kompromisslos.

Motivation: Ein Produkt sollte sorgenfrei und möglichst lange funktionieren. Wenn man weniger schrauben muss, kann man mehr fahren. Er bastelt gerne und schaut, wie das Bike noch optimiert werden kann.

Autor – Yannick Noll

Größe: 178 cm

Gewicht: 75 kg

Fahrstil: Als ehemaliger Racer darf es gerne schnell und flüssig sein. Größere Sprünge und steile Rampen dürfen aber auch nicht fehlen. Das Bike ist etwas straffer und schneller abgestimmt, dass es entsprechend schnell auf Input vom Fahrer reagiert. 

Motivation: Es soll Spaß machen. Ein Bike sollte nicht langweilig, alles platt bügeln. Der Charakter darf etwas lebendiger sein. Bei der Abstimmung, wie auch beim Fahrstil. Das Produkt sollte haltbar sein und auch auf längeren Biketrips sorgenfrei funktionieren.


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