Test Banshee Titan – Meine Fresse

Lesezeit: 7–8 Minuten

Manche Marken schreien laut, andere flüstern – und genau da liegt ihre Stärke.

Keine aggressiven Social-Media-Kampagnen, keine Werbebanner, die dich via Tracking über alle Plattformen verfolgen. Stattdessen liegt fast im Verborgenen ein Bike, das nicht nach Mainstream aussieht und sich auch nicht so fährt.

Banshee ist so eine Marke. Und was sie im Portfolio haben, ist nicht nur budgetfreundlicher als vieles von der Konkurrenz, sondern auch ein echter Lichtblick im Einheitsbrei der Carbon-Raumschiffe.

Der Name? Titan. Ein Werkzeug. Für denjenigen, der sich traut, es zu benutzen. Viel Spaß bei einem Biketest, der Kategoriedenken aufsprengt. Wenn ihr keinen Deep-Dive möchtet, könnt ihr auch direkt zum Fahreindruck springen.

Eine Übersicht mit allen Custom-Projekten findest du hier.

Einsatzbereich – Einmal alles anders?

Ein Bike ist mehr als reine Zahlen für Geometrie und Federweg. Dennoch glauben wir oft, ein Bike anhand des Lenkwinkels, der Kettenstrebenlänge und des Sitzwinkels beurteilen zu können. Leider ist das zu kurz gegriffen und das Banshee Titan ist ein Musterbeispiel hierfür. 

Vorgestellt wurde die aktuelle Version 3.2 im März 2022 und eigentlich macht es das in einer Branche, die sich gerne selbst überholt, fast schon zu einem „alten Eisen“. Und wieder liegt man hiermit falsch.

AllMountain oder Enduro? Begriffe, die täuschen können.

Banshee kategorisiert das Banshee für den Einsatzbereich von AllMountain bis Enduro. Während wir Mountainbiker zwischenzeitlich eine recht klare Idee davon haben, was ein Enduro-Bike an Federweg haben sollte, hat sich der Begriff AllMountain nie so wirklich definiert oder durchgesetzt. Ein Bike für den ganzen Berg? Einfach ein Mountainbike zum Hoch- UND Runterfahren?

Betrachten wir die populären Eckdaten von einem Enduro und versuchen uns an einer Adaption für AllMountain.

Fahrrad-Spezifikationen

Spezifikation Enduro Allmountain
Lenkwinkel ca. 64° ca. 66°
Kettenstrebenlänge 440-450 mm 435-445 mm
Sitzwinkel 78° 77°
Federweg 170/160 mm 160/150 mm

Früher war gesetzt, dass Bikes mit weniger Federweg auch steilere Lenkwinkel haben sollten. Das führt zu einer besseren Manövrierbarkeit bei niedrigeren Geschwindigkeiten und in technischem Gelände. Zusätzlich „klappt“ die Lenkung nicht so stark ab und man macht entsprechend weniger Korrekturbewegungen.

Enduro = „Hoch, aber der Fokus liegt auf der Abfahrt“

Das Bike, welches dich noch souverän auf den Berg bringt, ohne dir die letzten Körner zu ziehen, und das dir bergab viel Sicherheit und Leistungsfähigkeit für das gröbste Geläuf bietet. Enduro-Racing ist seit Jahren DER Proving-Point der Industrie, wozu diese Bikes fähig sind. Bei uns Anwendern wird das bestätigt, denn nicht zuletzt haben Endurobikes die meisten Downhiller und Freerider in den Bikeparks ersetzt. Die Mehrzahl der Leute braucht einfach nicht mehr als ein Enduro, um bergab Spaß zu haben.

AllMountain = „Der ganze Berg“

Bedeutet dieser Begriff, dass man die Auffahrt wie auch die Abfahrt komplett genießt? Alles getreten aus eigener Kraft? Zu gleichen Teilen Spaß? Wäre Enduro dann nicht 50/50, sondern 40/60? Welche Reifen sollte man in einem AllMountain fahren? Man macht sich doch eigentlich nur selbst das Leben schwer, weil dieses Bike bergab nicht so viel kann wie ein Vollgas-Enduro, und bergauf geht das auch nicht wirklich besser … Ihr spürt schon, die Diskussion kann hier beim Zusammensitzen nach der Trailrunde Stunden dauern.

Im Grunde ist das alles Haarspalterei und genau hier setzt das Banshee Titan an. Der Titan ist offen für deine Interpretation.

Sind wir aber ehrlich mit uns, dann erkennen wir, dass heute die Kategorien verschwommen sind. Man kann auch Bikes mit weniger Federweg ernsthaft schnell durchs Gelände bewegen. Wirklich extreme Ausreißer bei der Geometrie gibt es kaum. Erlaubt ist, was gefällt und mit den jeweiligen Vorlieben zusammenpasst. So wirken die Geometrietabellen der meisten Bikes im Mainstream relativ austauschbar, und man wiegt sich in der falschen Sicherheit, zu wissen, was die „richtigen“ Werte für Reach, Lenkwinkel und Kettenstrebe sind.

Kategoriedefinition aus Banshee Sicht

Schon beim ersten Blick auf die Geometrie fällt dem geneigten Nerd der Wert der Kettenstrebe ins Auge. 452 mm mit der „kurzen“ Option und es gibt auch „462“. Während Kettenstrebenlänge und die Philosophien, ob sie kurz oder lang sein müssen und was da kurz oder lang genau ist, weiter auseinandergehen als die Meinungen, ob E-Biken noch Sport ist, scheint man bei Banshee die Entscheidung dem Kunden zu überlassen.

Vierhundertzweiundsechzig – wurden wir alle von jahrelangem Bombardement, das „nur kurze Kettenstreben agil sind“, verblendet?

462 in der langen Option … Gibt es überhaupt einen Hersteller, der SO ETWAS anbietet? Banshee hat aber mit dem Titan noch mehr im Angebot. Eine wirklich variable Plattform. Und das sagen sie selbst über ihre Kreation:

The Banshee Titan V3.2 is the rider's choice, refined. A no-compromise frame designed to tackle big enduro days. The Titan has adjustable geometry, and the ability to run either full 29” or mullet setups to perfectly suit your riding style.

The famous Banshee ride quality is supported by the Titan’s balanced geometry, weight distribution and tuned frame stiffness. Traction and control are achieved at all speeds due to low leverage ratios and optimized leverage curves working through a zero friction linkage. The result is a frame that punches above its 155mm travel number, with incredible suppleness, great mid stroke support, and a bottomless feel enabling you to ride faster and further. 

Banshee’s commitment to frame quality and performance above all else means that the harder you ride the Titan the better it performs, so get off the brakes and have fun. 

– Banshee Bikes

Die Menge an Optionen haben wir für euch in der nachfolgenden Tabelle zusammengefasst. Die Dropbouts sind so gestaltet, dass sich alleine durch die Länge nichts ändert. Dafür kann man sie in einer hohen und niedrigen Position montieren:

Federweg CSL Setting HA BB-Drop SA
170 / 157 mm 462 mm LOW-Setting 64° 25 mm 75,7°
170 / 157 mm 462 mm HIGH-Setting 64,5° 17 mm 76,2°
170 / 155 mm 452 mm LOW-Setting 64° 25 mm 75,7°
170 / 155 mm 452 mm HIGH-Setting 64,5° 17 mm 76,2°
160 / 157 mm 462 mm LOW-Setting 64° 25 mm 75,7°
160 / 157 mm 462 mm HIGH-Setting 64,5° 17 mm 76,2°
160 / 155 mm 452 mm LOW-Setting 64° 25 mm 75,7°
160 / 155 mm 452 mm HIGH-Setting 64,5° 17 mm 76,2°

*Randbemerkung:

Die Reachwerte für den Titan wirken im Datenblatt vergleichsweise kurz, insbesondere im Zusammenspiel der langen Kettenstreben. Allerdings darf man sich hier nicht täuschen lassen. Der Stack am Banshee fällt ebenfalls sehr hoch aus. Da die Messmethode für den Reach an der Oberseite des Steuerrohrs ansetzt, fällt ein Spacerturm für die nötige Lenkerhöhe zumeist weg. Somit wird weniger „Reach aufgefressen“, da einem der Lenker nicht entgegenkommt.

Rahmendetails

Einsatzbereich AllMountain / Enduro
Größen M, L, XL (getestete Größe XL)
Federweg hinten 155 mm mit dem kurzen oder 157 mm mit dem langen Ausfallende
Federweg vorne 160 – 180 mm (Single Crown only)
Laufradgrößen 29×2.5", 27.5×2.8" (Compact Dropouts)
oder 29×2.8" (Long Dropouts)
Rahmenmaterial 7005 T6 (7075 T6 Links und Hardware)
Gewicht 3.95 KG (8.7 lbs) Medium Black Anodized Frame – inkl. Float X2 Dämpfer, Dropouts mit Achse und Sattelstützenklemme
Preis UVP: € 2399
IM SALE: € 1799
MSRP: $2699US
ON SALE: $1699US
Anmerkungen Die Verkaufspreise variieren je nach Land. Erkundigen dich bei deinem Händler nach Preisen und Verfügbarkeit.

Das Rahmenset beinhaltet:
  • Custom-tuned Fox Float X2
  • Eingebauter Steuersatz
  • Dropout nach Wahl

Knappe Geschichte und etwas eingeschränkte Auswahl

Wenn man Kritikpunkte finden möchte, dann kann man ins Feld führen, dass der Platz für den Dämpfer knapp bemessen ist. Während wir im Testbetrieb keine Probleme hatten, gilt es aber, die Liste mit inkompatiblen Dämpfern zu beachten. Diese passen schlicht und ergreifend nicht in den Rahmen, da sie durch ihre Dimensionen (oft am Ausgleichsbehälter) anstoßen würden.

Folgende Dämpfer sind mit dem Banshee Titan inkompatibel: Fox-Live-Valve-Dämpfer, Push-HyperCoil-Federn, DVO Jade X / Topaz 2 und 3, Suntour TriAir2, Marzocchi Bomber Air und FAST Fenix 1.0 (2.0 ist kompatibel). Der Manitou Mara Pro erfordert die Option mit kurzem Reservoir und seitlichem Knopf zum Umschalten auf Klettermodus.

RAndnotiz: Was passiert mit dem Federweg bei längerer Kettenstrebe?

Verlängert man die Kettenstrebe, so verlängert sich auch der Federweg. 10 mm Spielraum bietet Banshee am Titan. Das Δ auszurechnen ist allerdings nicht ganz so einfach, wie es scheint. 

Aus Kettenstrebenlänge und Dämpferhub ergäbe sich 158 mm – bei einem Eingelenker. Mit zusätzlichen Hebeln stellt der Titan aber 157 mm zur Verfügung.

Lange Kettenstreben. 170 mm an der Front. 157 mm am Heck. Business.

Angenehmer Nebeneffekt von 462 mm: Reifenfreiheit bis 2.8 und nie Probleme mit Matsch

Banshee Titan im Test

Wer es sich am Berg leicht machen will, kann an jedem Bike optimieren: leichte Laufräder, schnell rollende Reifen, niedriges Gesamtgewicht für mehr Spritzigkeit … Vielleicht ist das dann auch schon ein wenig die Richtung von AllMountain, wie wir hier in Europa diese Kategorie interpretieren?

Wir wagen zu behaupten, dass diese Art des Aufbaus nicht unbedingt das ist, worauf Banshee abzielt. Unser Custom-Aufbau rollte teilweise trotzdem auch auf Enduro-Casing-Reifen und leichten Laufrädern. Zur Rakete am Berg wird der Titan damit bis zu dem Punkt, an dem du die Seitenwand des Reifens zerfetzt. Dementsprechend sollte man überlegen, ob man den Titanen vielleicht ohne Drossel fahren sollte.

Die Sitzposition ist angenehm aufrecht, ohne dass man an Uphill-Bestzeiten denken muss. It gets the job done. Kein auffälliges Wippen, keine störenden Faxen auf dem Weg nach oben.

Wer technische Anstiege liebt, muss mit der langen Kettenstreben-Option gegebenenfalls sein Timing etwas anpassen. Denn das Hinterrad trifft Stufen leicht verzögert, wenn man kürzere Streben gewohnt ist. Doch auch das ist schnell verinnerlicht.

Banshee’s commitment to frame quality and performance above all else means that the harder you ride the Titan the better it performs, so get off the brakes and have fun. – Banshee

Oben angekommen, genießt man den Blick, atmet durch – der Titan streckt sich und erwacht. Ein Tritt in die Pedale, und das Bike macht klar, dass sein Name zwar Größe verspricht, aber keine Schwerfälligkeit. Was bergauf noch entspannt wirkte, verwandelt sich bergab in Raserei. Plötzlich sollte man hellwach sein. Nicht weil man auf einem unkontrollierten Mustang sitzt, sondern weil man schneller schnell wird, als man es glauben kann.

Kennt ihr das Gefühl, wenn ein Werkzeug perfekt in der Hand liegt und plötzlich alles leichter wird? Genauso fährt sich der Titan. Die Balance ist beeindruckend, jede Lenkbewegung setzt er präzise um. Und der Hinweis auf der Banshee-Seite, dass der Titan umso besser fährt, je härter man ihn ran nimmt? Stimmt. Aber sowas von!

Während andere am Keyboard noch erklären, warum lange Kettenstreben angeblich träge machen, ballerst du schon mit beunruhigender Leichtigkeit durch die ersten drei Steinfelder. Kurz ins Fahrwerk reindrücken. Rauspoppen lassen, leicht machen, schweben, Grip suchen. BÄHHM der Stein kam zu schnell. Fokus. Du spürst bei diesem Speed sehr genau jeden Flex in deinen Laufrädern und in der Gabel. Der Rahmen arbeitet. Nicht nur die Suspension, sondern auch seitlich. Ist das schlecht? Ganz im Gegenteil. Damit hilft er dir, die Linie zu halten und Kompromisse …? Die machst du einfach nicht mehr.

Wenn du bereit bist, dem Titanen Vertrauen zu schenken, wirst du belohnt werden. Allerdings solltest du bereit sein, die Gegenleistung anzunehmen: Speed. Viel Speed. Selbst vertraute Strecken wirken plötzlich neu. Sprünge sind zu kurz, Kurven tauchen früher auf, und ja – für dieses Bike ist ein Vollvisier-Helm, keine schlechte Idee.

Hast du im Vorfeld Enduro-Karkassen und leichte Laufräder montiert, wirst du öfter mal anhalten, um zu prüfen, ob die Felge noch heil ist. Tipp: Iss morgens lieber eine Schüssel Haferflocken mehr, pack DH-Reifen drauf und gönn dir ein Insert im Heck.

Dass der Titan am Hinterbau unter 160 Millimeter Federweg hat, wirkt fast schon lächerlich, wenn man erlebt, wie hart er den Berg hinunterbrennt.

Und während du unten noch darüber nachdenkst, wie du diese eine bekloppte Line doch noch gemeistert hast, obwohl alles dagegensprach, rollt plötzlich dein Kumpel neben dich – der, der eigentlich vor dir gestartet ist. „Wie bist du schon hier unten?“ – „Keine Ahnung.“ Dein Blick fällt fragend aufs Oberrohr. TITAN. Er schweigt. Bis zur nächsten Abfahrt.

Federweg an der Front und Kettenstrebenlänge

  • Im Test hatten wir beide Optionen für die Kettenstrebenlänge.

  • Die Prio für Jens lag am Ende auf „lang“ oder besser gesagt „länger“ und „tief“. Über je zwei Schrauben fixiert man die unterschiedlichen Ausfallenden und kann sie dabei zusätzlich in der Höhe verstellen.

  • Wir sind den Titanen mit 160 und 170 mm Federgabeln gefahren und würden empfehlen, das längere Bike auch mit einer längeren Gabel zu verheiraten. Länger bedeutet in diesem Fall 170 mm Federweg. 

  • Wer eine Vorliebe für kompaktere Bikes hat, kann dem Rahmen mit den kurzen Aufallenden und der 160-mm-Gabel etwas den Wahnsinn nehmen.

Fazit – Banshee Titan

Banshee ist keine Marke, die man automatisch auf dem Zettel hat, wenn es um ein neues Bike geht. Das ist ein Fehler. Die kleine Marke besticht nicht nur durch Preise, für die man woanders nicht mal einen halben Rahmen bekommt. Denn der Titan liefert ein Fahrgefühl, das sich von der Masse absetzt: berechenbar und gutmütig, ohne je langweilig zu wirken. Ein Arbeitstier! Dazu kommt eine Geometrie, die sich vielfältig feintunen lässt – für alle, die wirklich ins Detail gehen wollen. Absoluter Geheimtipp!


Ihr wollt mehr Custom bikes?


Autor – Jens Staudt

Größe: 191 cm

Gewicht: 95 kg

Fahrstil: Mit seinem Race-Hintergrund sind die Linien geplant, auch wenn es mal rumpelt. Wenn möglich, werden Passagen übersprungen. Die ganze Breite eines Trails sollte man nutzen. Andere würden sagen – kompromisslos.

Motivation: Ein Produkt sollte sorgenfrei und möglichst lange funktionieren. Wenn man weniger schrauben muss, kann man mehr fahren. Er bastelt gerne und schaut, wie das Bike noch optimiert werden kann.


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Test – DT Degrees of Freedom – NAchrüstbare Freiheit vom Pedalrückschlag