Unchained bikes – Enduro. konsequent. neu.

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Neue Ideen kommen aktuell aus der Alten Welt. Unchained nennt sich passend ein Bikekonzept. Klassisch als stell-dir-mal vor-Idee zwischen Bikern an der Kaffeemaschine entwickelt, wurde es nun doch zügig, sehr konkret. Axel und Laurent hatten eine Vision von einem Enduro-Bike mit ordentlich Federweg, sorgenfreier Schaltung und Fahrspaß. Klingt simpel? Anscheinend für die beiden schon, denn ihr erster Prototyp kann es ohne Probleme mit so ziemlich jedem Boutique-Bike am Markt aufnehmen. Vorhang auf für ein Konzept und eine Marke, die wir in Zukunft öfter sehen werden.

Eine Übersicht mit allen ungewöhnlichen Bikes findest du hier.

Die Unchained GEschichte

Die Geschichte von Unchainend, wie wir sie kennen, beginnt weit früher als man glaubt. Nämlich zu 26-Zoll-Zeiten im Ruhrpott. Mountainbike-Rider hieß noch Mountainbike-Downhill und ein halb so alter Axel Lehmkuhl fährt auf einem Wheeler massiv schnell bei Downhill-Rennen mit und macht wildeste Stunts in Form von 18m-Doppel-Road Gaps und Backflips beim Jump-Contest im Rahmen des Downhill-Rennens in Ilmenau. Er entscheidet sich später, dass die Berge in Deutschland nicht hoch genug sind, und es verschlägt ihn in die Schweiz an den Genfer See.

Backflips macht Axel aktuell keine mehr. Auf dem Trail ist er aber immer noch extrem schnell unterwegs.

Unsere Wege kreuzen sich dann wieder in der Ära des "Bikebergsteigens". Dieser Disziplin gab Axel seinen eigenen Twist. Wo manche diese Art des Bikens liebevoll zwinkernd als "Stolperbiken" bezeichnen, brachte Axel eine Art "Race-Komponente" hinzu. Auf Sicht. Seine über die Jahre zusammengefahrenen Abfahrtsmeter dürften im zweistelligen Millionenbereich liegen und auch die gesammelte Erfahrung in anspruchsvollem Gelände reicht ähnlich tief.

Wer mal auf einer Axel-Tour war, kann den Ausspruch von Harald Philipp nachvollziehen: "Ich bin noch nie in meinem Leben so schnell Fahrrad gefahren, wie als versucht habe an Axel dranzubleiben!"

Der Kaffeeautomat auf der Arbeit: Die Wiege von Unchained-Bicycles | Axel Lehmkuhl und Laurent Alby

Was passiert also, wenn so ein Typ das Glück hat mit einem anderen Vollenthusiasten mit Ingenieur-Background zusammenzuarbeiten? Beim gemeinsamen Nerden in der Kaffeepause hat man jemanden zum Reden, der nicht vom Bikegarn gelangweilt ist.

“Hättest du Lust ein eigenes Rad zu bauen?” – die Frage von Laurent an Axel brachte den Stein ins Rollen. Beide machten sich Gedanken darüber, wie das ideale Enduro-Bike aussieht. Es hilft natürlich zusätzlich, wenn der Kollege nicht nur Maschinen konstruiert, sondern in seinen frühen Tagen als Entwickler auch schon Prüfstands Studien für SUNN gemacht hat.

Aus "Lass uns zwei Stück für uns bauen" wurde Ende 2024 die klassische Bike-Brand-Gründungsgeschichte. Denn Axel und Laurent betrieben ihr Projekt nicht im Verborgenen, sie zeigten ganz offen die Fortschritte in diversen Bikeforen. Das Feedback war extrem positiv und zahlreich. Anfragen zum Kaufpreis trudelten ein.  

Wir wollten ein Rad bauen, das Spass macht. Es muss nicht das schnellste sein, sondern die breite des Grinsens am Ende des Trails ist unser Messwert.

– Axel Lehmkuhl | Unchained

Währenddessen löste Laurent die Integration von Gearbox und die Kinematik und Axel griff auf seine Erfahrung in der Metallindustrie zurück. Damit tat er Hersteller auf, die in der Lage waren, die passenden Rohre zu ziehen und Muffen zu fräsen.

In nur 14 Monaten hatte dieses Team aus zwei Personen dann den ersten Prototypen fahrbereit. Komplett aus eigener Tasche finanziert. “Developed during nap-times!” witzelt Laurent auf die Frage, wie sie all das in dieser kurzen Zeit, mit Familie und regulärem Day-Job geschafft haben. Die Kinder scheinen entweder einen gesunden Schlaf zu haben oder die beiden wissen was sie tun, denn der Prototyp ist in natura sehr beeindruckend.

Wobei man Prototyp in Anführungszeichen setzen sollte, denn der Look und das Finish kann sich mit jedem High-End-Serienrad messen.

Unchained 1.0 – Ein Prototyp, der mit einem Finish aufwartet, welches so manches Serienrad alt aussehen lässt.

Ein mittelhoher Drehpunkt ist für einige Hersteller aktuell das Maß der Dinge. Wo ein “echter” High-Pivot bestimmte Variablen mit sich bringt, die in der Praxis Nachteile bringen (stark längende Kettenstrebe beim Einfedern), hat man bei der niedrigeren Umlenkung das Beste aus zwei Welten. Verbesserte Schlagabsorption und der Masseschwerpunkt des Bikes wird ebenfalls nochmal etwas optimiert.

Eine Variable Dämpferaufnahme erlaubt mit alternativer Kinematik die Verwendung von Stahlfederdämpfern oder Luftdämpfern.

Aktuell setzt man beim Prototyp auf Mullet. Rein 29-Zoll wird es aber auch geben.

Im Heck werkelt der Öhlins TTX und generiert 175 mm Federweg

An der Front sorgt eine RXF38M.3 mit 170 mm für Ruhe

Unchained 1.0 – Technical Specifications
Specification Details
Travel (front/rear)
  • 170 mm front / 175 mm rear
  • 175 mm with coil shock, 170 mm with air shock
  • Flip chip adjustment adapts progression from 26% to 21%
Frame material7075-T6 alloy – bonded custom threaded tubes and lugs.
Wheelsize29/27.5 – optional 29/29 with different dropouts and a longer belt (under development).
GearboxPinion C1.12 Smart Shift.
Rear hub width148 mm.
Shock size205 × 65 mm (trunnion mount).
Shock compatibilityCoil or air (Flipchip compatible).
BearingsEnduro bearings.
SizesCurrently available in size L. Size M under development, others to follow later.
WarrantyLifetime warranty for first owner + crash replacement policy.
Weight (complete bike)Just under 18 kg in size L, race-ready with Enduro casing, rear insert, and pedals.
PriceStarting price to be confirmed – first series will feature a top-of-the-shelf build.
AvailabilitySpring 2026 (pre-order).

Wo kann man Unchained Bikes kaufen?

Der Stand aktuell? Wird es ein Serienbike geben? First-Things-First. Das Bike wurde als Prototyp der Öffentlichkeit auf den Craft-Bike-Days 2025 präsentiert und wird aktuell getestet. Axel und Laurent haben auch angefangen, auf ihrem Unchainend-Instagram zu posten und arbeiten mit Hochdruck an ihrer Webseite.

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Ausstattung: Unchained 1.0

Component Brand Model
FrameUnchained1.0
WheelsDTEXC 1200 3DEC
BrakesTrickstuffMaxima
RotorsTrickstuff223/203 mm
ForkÖhlinsRFX 38 M3 AIR
DamperÖhlinsTTX2Air m.2 205x65 TM
GearboxPinionC1.12i Smartshift
CranksPinion165 mm
BeltGatesCDX 11M-125T-12CTS BLACK
Belt tensionerUnchainedOwn construction
HandlebarBikeYokeBarmate Carbon 50 mm rise
StemBikeYokeBarkeeper RFF 35mm

Wie ist das Unchained gefertigt?

Das Verkleben von Muffen und Rohren ist wieder im Kommen und gilt inzwischen als etablierte Fertigungsmethode. Zahlreiche Hersteller nutzen sie sowohl im Prototyping als auch für Serienrahmen. Die Technik bietet mehrere Vorteile gegenüber dem Schweißen, ist jedoch kostenintensiver.

Unchained 1.0 ist noch kein Serienmodell und wird weiter optimiert. Ein Test bei EFBe ist geplant. Axel und Laurent setzen auf kompromisslose Entwicklung und eigens erfahrende Eindrücke, denn sie fahren den Rahmen bereits. Mit 7075-T6-Rohren bei 2 mm Wandstärke steckt der Rahmen problemlos den schlimmsten Missbrauch weg. Diese Wandstärke ist unüblich für Serienbikes, was bedeutet, dass für eine Serienproduktion noch viel Potenzial in Bezug auf Gewichtseinsparung besteht. Die Muffen haben sie auf ihre Bedürfnisse hin gezeichnet und ließen sie in Einzelanfertigung herstellen. Aktuell ist der Rahmen komplett “Made in Switzerland”.

Die Rohre werden zusätzlich nicht nur verklebt: In die Muffen sind Gewinde integriert. Ein Rechtsgewinde am Steuerrohr und ein Linksgewinde am Interface für das Getriebe ermöglichen es, die Rohre nach dem Auftragen des Klebers präzise einzuschrauben.

Diese Konstruktion bietet doppelte Sicherheit. Einmal durch die anodisierten Oberflächen. Da Aluminium an der Luft schnell unsichtbar oxidiert und dadurch Schwachstellen beim Kleben entstehen können, wird dieser Effekt durch das Anodisieren verhindert. Zusätzlich hält es die Poren im Material offen, in die später der Kleber eindringen kann. Dadurch entsteht eine festere Verbindung. Die Gewindeverbindung bräuchte es eigentlich nicht, gibt aber ein gutes Gefühl.

Der verwendete Klebstoff aus der Luftfahrt und Boot-Rennsport härtet innerhalb von sieben Tagen bei Raumtemperatur aus. Ein späteres Richten des Rahmens ist nicht erforderlich.

Hört sich doch alles super an! Finden wir also heraus, ob dieser Plan aufging. Doch zuerst schauen wir uns das an, was dieses Bike so besonders macht: den Antrieb mit Pinion Smart.Shift-Getriebe.

Unchained 1.0 + Pinion Smart.Shift Gearbox

Der Name Unchained lässt es vermuten: Man verzichtet auf die Kette. Gates-Carbon-Drive bedeutet natürlich auch Gearbox. Im 1.0 Prototyp findet eine Pinion Smart.Shift ihren Platz. Den Riemenspanner haben die beiden Jungs direkt mit selbst entwickelt und mit dem massiven Unterfahrschutz kombiniert. Ziel war es die Spannung im Carbon-Drive durch den Federweg hindurch konsistent zu halten. Eine längere Lebensdauer und weniger Stress im Gesamtsystem sollten die Folge sein.

Am Ende wohnen die beiden immer noch in der Schweiz und die Trails rund um den Genfer See bieten viele Möglichkeiten das Bike von unten mit Steinen unter Beschuss zu nehmen.  

Kein Schaltwerk. Keine große Kassette. Aufgeräumte Optik. Geringere ungefederte Masse. Die Ausfräsungen sollen die Balance halten zwischen Flex und Präzision beim Kurvenfahren ohne dabei zu schwer zu werden.

Was ist das Besondere an einer Gearbox?

Eine Gearbox bietet einige Besonderheiten und Vorteile. Ob das die richtige Lösung für dich ist, kannst du natürlich selbst entscheiden:

  • Gewicht: Zwar fallen einige Bauteile wie die große Kassette und das Schaltwerk weg, allerdings bringt die Gearbox aktuell noch etwas mehr auf die Waage. Die zentrale Gewichtspositionierung kommt dem Fahrer aber in der Regel bei der Downhill-Performance zugute.

  • Zentralisierte Gewichtsverteilung: Das Bike fühlt sich leichter an und liegt satter.

  • Verringerte ungefederte Masse: Der Hinterbau wird leichter ansprechen, da der Schlag, der vom Boden ausgeht, weniger Masse in Bewegung setzen muss.

  • Sorgenfreiheit: Schaltwerke sind ein verletzlicher Punkt am Bike. Jeder von uns hat bestimmt schon mindestens eins durch einen Steinkontakt abgerissen oder verbogen. Auch die neuesten und robustesten Optionen am Markt sind nicht unbesiegbar. Eine Gearbox sorgt dafür, dass das Heck aufgeräumt ist, du mehr Freiheit zum Boden hast und weniger Angriffsfläche bietest.

  • Schaltvorgänge: Mit dem Pinion-Getriebe lässt sich unter Volllast sowie auch beim Rollen (ohne zu treten) schalten. Das bietet sowohl bergauf als auch bergab Vorteile.

  • Leises Bike: Durch die kurze und stramm gespannte Kette fliegt man fast geräuschlos über den Trail und hört nur seine Reifen.

  • Wirkungsgrad: Eine Kettenschaltung punktet mit einem sehr hohen Wirkungsgrad. Selbst bei Schräglauf der Kette in Richtung Kassette wirst du etwas effizienter unterwegs sein als mit einer Gearbox. Dort drehst du etliche Bauteile mit jeder Pedalumdrehung und Reibung kostet schlicht und ergreifend Energie. Mit der Kette ist die Effizienz noch etwas höher als mit einem Riemen. Das Getriebe soll ab 1.000 km Laufleistung „eingelaufen“ sein.

Ein Blick ins Innere einer Pinion Gearbox

Geometrie Unchained 1.0

Vom aktuellen Finish des Unchained darf man sich nicht täuschen lassen. Es ist noch kein Serienbike. Dementsprechend existiert vom Unchained 1.0 nur die Rahmengröße Large. Wie die anderen Größen aussehen werden, ist aktuell noch nicht festgelegt. Wir halten euch aber auf dem Laufenden.

Reach475 mm
Stack630 mm
Wheelbase1270 mm
Head Angle63.5°
Seat Angle77.5°
Chainstay440 mm (27.5 rear wheel) 460 mm (29 rear wheel)
BB height345 mm (based on rear wheel axle height)
Head Tube120 mm
Top Tube618 mm
Chainstay growth18 mm – Max. elongation during rear wheel travel
Anti Squat

Einschätzung der Testpiloten

Der Markenname Unchained ist bei Axel und Laurent Programm: Sie verzichten konsequent auf die klassische Kette und setzen auf Schaltboxen als nächste logische Mountainbike-Evolutionsstufe. Auch wenn diese noch nicht leicht genug für Trail- und Cross-Country-Bikes ist, liefert sie am ersten Prototyp objektiv beurteilbare Vorteile bei Fahrwerks Performance, Gewichtsverteilung und Wartungsfreiheit.

Das Zusammenspiel aus Fertigungskonzept, technischer Innovation, Geometrie und klar definierten Einsatzbereich wirkt schlüssig und vielversprechend. Trotz der aktuell schwierigen Marktsituation hebt sich das Projekt bereits deutlich vom weitgehend uniformen Portfolio etablierter Hersteller ab. Axel und Laurent verfolgen eine klare Linie – mit guten Chancen, die Marke erfolgreich auf den Markt zu bringen.

 

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Autor – Jens Staudt

Größe: 191 cm

Gewicht: 98 kg

Fahrstil: Mit seinem Race-Hintergrund sind die Linien geplant, auch wenn es mal rumpelt. Wenn möglich, werden Passagen übersprungen. Die ganze Breite eines Trails sollte man nutzen. Andere würden sagen – kompromisslos.

Motivation: Ein Produkt sollte sorgenfrei und möglichst lange funktionieren. Wenn man weniger schrauben muss, kann man mehr fahren. Er bastelt gerne und schaut, wie das Bike noch optimiert werden kann.


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