Podcast: Denkanstöße mit Friso Lorscheider, zum Thema Nachhaltigkeit

Ein E-Bike für den Donauradweg, das Carbon-Enduro für die Stadt – wir lieben unsere Bikes, oft über ihre eigentliche Bestimmung hinaus. Doch wie nachhaltig ist unser Sport wirklich? Ein Gespräch mit Friso Lorscheider*, DT-Swiss-Veteran mit über 36 Jahren Branchenerfahrung.

Wer erinnert sich nicht an sein erstes MTB? Die Fahrt über Wurzeln, die plötzlich kein Hindernis mehr waren, das Gefühl von Freiheit und Abenteuer. Friso Lorscheider, heute bei DT Swiss, hat diese Leidenschaft schon in den 80er Jahren gepackt, als er für Freunde Räder aus Katalogteilen im Keller zusammenbaute. Damals wie heute steht die Faszination Mountainbike im Vordergrund.

Spielzeug lange nutzen oder neu kaufen? Die große Diskussion zur Nachhaltigkeit von Mountainbikes

In Zeiten von Klimadebatte und Konsumkritik drängt sich eine Frage immer mehr auf: Wie nachhaltig ist unser Hobby eigentlich?

Im Gespräch mit Jens Staudt stellt Friso Lorscheider gleich zu Beginn eine klare These auf: „Die Fahrräder, über die wir hier reden, sind Sportgeräte. Und spätestens da geht es nur noch um die Befriedigung eines Bedürfnisses – dem nach Lust und Spaß.“ Das Bike an sich sei nachhaltig, sein Einsatzgebiet als Hochleistungs-Sportgerät hingegen oft nicht.

Die Lebensdauer macht den Unterschied

Der Schlüssel zur Nachhaltigkeit liegt für Lorscheider auf der Hand: die Nutzungsdauer. „Ich habe einen Single-Speeder, den ich mir vor 20 Jahren aufgebaut habe. In den letzten 20 Jahren ist die dritte Kette drauf“, so sein Beispiel. Hätte er dasselbe Rad im Renneinsatz gefahren, wäre es längst Geschichte.

Das Problem: Der moderne Mountainbiker nutzt sein Rad oft „artgerecht“ – also an der Leistungsgrenze. Harte Landungen, Schläge von Steinen und Wurzeln zollen Tribut. Extremer Verschleiß ist die Folge. Wer Nachhaltigkeit will, muss also auch sein eigenes Fahrverhalten hinterfragen. Der steinige Trail verzeiht kein Leichtbau-Material, und wer ständig ans Limit geht, muss damit rechnen, dass Teile kaputtgehen. „Ist es dann der Fehler des Herstellers oder des Nutzers? Henne oder Ei!“, fragt Friso rhetorisch.

Die Service-Lücke und die Krux mit den Standards

Ein weiterer großer Hebel wäre die Reparierbarkeit. Doch hier sieht Lorscheider einen Rückgang der Nachfrage. „Wenn die Mehrheit sagt, 'kaputt kaufe ich neu', macht es für einen Hersteller keinen Sinn, jedes Ersatzteil ewig vorzuhalten.“ Er berichtet von Kleinteilen für Bremsen, die es bis in die 2000er gab, aber kaum jemand kaufte.

Hinzu kommt die schnelllebige Standard-Flut bei Einbaubreiten, Steuersätzen und Schaltungen. Wer seinen geliebten Laufradsatz nicht auf das neue Bike transplantieren kann, erlebt Obsoleszenz live. Lorscheider relativiert: „Beim Auto war das schon immer so. Da beschwert sich auch niemand, dass die Felgen des Golf 2 nicht auf den Golf 1 passen.“ Die technologische Entwicklung im MTB-Bereich sei einfach rasant und mache solche Brüche notwendig, um Stabilität und Performance zu steigern – Stichwort Boost-Standard für stabilere 29er-Laufräder.

Dennoch appelliert er an die Hersteller, wo möglich auf Kompatibilität zu achten. Bei DT Swiss passen die aktuellen Zahnscheiben von 2024 noch in Naben von 1995. „So wissen wir, okay, wir produzieren das Produkt. Es passt aber auch noch in die Naben rein von einem Kunden, der das Produkt schon über 20 Jahre nutzt.“

Carbon vs. Alu – die Materialfrage

Ist Carbon nachhaltiger als Aluminium? Lorscheider sieht Vor- und Nachteile. „Carbon hat den klaren Vorteil, dass es dauer­schwingfest ausgelegt werden kann. Und das kann Alu nicht. Alu wird weich.“ Eine Carbon-Felge kann also länger ihre Form halten. Der große Nachteil: „Wenn es kaputt ist, dann ist es kaputt. Es gibt kein Grau, 'kann ich noch einmal gerade biegen'.“ Die Reparatur sei oft aufwendig und die Wiederverwertung des Verbundwerkstoffs nach wie vor eine Herausforderung.

Die Verantwortung liegt auch bei uns

Am Ende des Gesprächs sind sich Staudt und Lorscheider einig: Die größte Verantwortung liegt in der Community selbst.

  1. Das richtige Bike für den Einsatzzweck kaufen

  2. Pflegen und wertschätzen

  3. Anfänger fördern und Leidenschaft wecken

Fazit

Unser Sport wird nie komplett „grün“ sein. Er basiert auf globalen Lieferketten, Hochleistungsmaterialien und dem Verlangen nach neuem Equipment. Aber wir können ihn nachhaltiger gestalten – durch langlebige Produkte, reparierfreundliches Design und vor allem ein bewussteres Mindset. Denn Nachhaltigkeit beginnt im Kopf, lange bevor der erste Stein den Carbon-Rahmen trifft.

*Friso Lorscheider ist seit 17 Jahren bei DT Swiss und blickt auf eine über 36-jährige Karriere in der Bike-Branche zurück – vom Fahrradladen über Magura bis heute.*

 

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